Hirn für Todesstrafeforderer

Neulich war ich mal wieder notwendigerweise beim Frisör. Es war früh am morgen und entgegen meiner Natur hatte ich absolut keine Lust auf ein Gespräch. Als dann im Radio über den Mord in Emden und den verurteilten Verdächtigen berichtet wurde fing die Friseuse an mir zu erzählen was man mit solchen Menschen machen sollte. Kurz sie wollte tatsächlich und mit vollem Ernst mit mir darüber diskutieren, wie toll, sinnvoll und steuersparend doch die Todesstrafe wäre. Wie gesagt, ich hatte keine Lust auf ein Gespräch, entschied ich mich nur für das Justizirrtumgument und antwortete kurz und knapp, dass sie dann aber damit leben müsse, dass über kurz oder lang in jedem Fall auch Unschuldige vom Staat hingerichtet werden würden. Sichtlich irritiert, dass ich ihre Ansicht nicht teile meinte sie, damit könne sie leben.

Man könnte es schon fast als Ironie des Lebens betrachten, dass der “vorverurteilte” Junge, der beim Frisör noch als der große verdächtige Mörder angeprangert wurde sich nur einen Tag später als unschuldig herausstellt und jetzt selbst ein Opfer ist.

Richtig krass hingegen ist, was in den tollen sozialen Medien so abgegangen ist.

“Hängt ihn auf.”

Muss man dazu noch was sagen? Der Mob kennt keine Unschuldsvermutung.

In solchen Situationen bin ich mehr denn jeh überzeugt dass wir mit unseren indirekten Demokratie sehr gut fahren und das es Hierarchien (zur Verteilung und Beschränkung von Macht und Verantwortung auf verschiedenen Ebenen) braucht, um in großen Gruppen friedlich miteinander umzugehen.

Die Masse ist egoistisch, emotional, irrational und primitiv und sollte auf keinen Fall tief-greifende Entscheidungen treffen. Ich bin ganz sicher, dass eine große dumme Mehrheit die Todesstrafe sofort einführen würde und im Zweifel erst hinrichten und dann die Schuld nachweisen würde, wenn nur kurz vor dem entsprechenden Volksentscheid in den Medien über den unerhörten Freispruch aus Mangel an Beweisen in einem Fall von Kindesmissbrauch berichtet würde.

Vielleicht unterliege ich ja selektiver Wahrnehmung aber in letzter Zeit sehe ich ständig Autos mit dem Spruch

“Todesstrafe für Kinderschänder”

. Dem setzt ich den Titel dieses Posts entgegen.

 

UPDATE: ZG-Blog zum Thema “Todesstrafe für Kinderschänder” – Man könnte meinen der Autor hat zuvor meinen Post gelesen 🙂 – großartige Satire.

6 thoughts on “Hirn für Todesstrafeforderer”

  1. Widerspruch!

    Die “Ewigen Artikel” des GG können *nicht* per Mehrheitsentscheid abgeschafft werden.

    Die einzige Möglichkeit dazu, sowas “rechtmäßig” zu veranstalten, wäre, per Volksinitiative u/o -entscheid eine komplett neue Verfassung zu installieren.

    Von “unrechtmäßigen” Maßnahmen möchte ich (noch) nicht reden.

  2. Nichts absolut gar nichts vom Menschen geschaffene ist unabänderlich. Es ist immer nur eine Frage der Kosten und ob man bereit ist, diese aufzubringen.

  3. Wie kann man der Demokratie vertrauen, wenn man der Masse nicht vertraut?

    Sicherlich müssen Leitplanken gesetzt werden (z.B. keine Todesstrafe) aber innerhalb dieser Leitplanken sollten Bürgerentscheide verbindlichen Charakter haben.

  4. Ich vertraue Individuen, aber ganz sicher nicht der “Masse”. Im Übrigen habe ich nicht behauptet, etwas gegen Volksentscheide zu haben. Ganz im Gegenteil schau doch mal hier. Regional und thematisch begrenzt halte ich sie durchaus für sinnvoll.

  5. “dass sie dann aber damit leben muss, dass dann über kurz oder lang in jedem Fall auch Unschuldige vom Staat hingerichtet werden würden. Sichtlich irritiert, dass ich ihre Ansicht nicht teile meinte sie, damit könne sie leben.”

    Diese Ansicht der Dame gilt natürlich nur, wenn sie nicht selbst die zu Unrecht Beschuldigte ist, denn dann könnte sie damit sicher nicht mehr leben 😉

  6. Nein, das ist keine selektive Wahrnehmung! Diesen Sticker sehe ich auch häufig, meist auf alten VW Kombis gleich neben dem Bösen Onkelz Sticker^^ Deine Forderung unterstütze ich sofort und ich find es klasse, dass du es so aussprichst !!!

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